Segel setzen, Leinen los und los geht’s. Diese Einfachheit des voran kommens mit einem Stück Stoff und Wind hat mich schon immer fasziniert. Auf die Idee, dass man diese Kunst einfach erlernen kann, bin ich erst dieses Jahr gekommen. Einfach mal segeln lernen. Ich habe nicht den Luxus am Meer zu leben, aber ich habe das Glück in einer Stadt zu leben, die einen segelfähigen See im Zentrum hat und Yachtschulen, die Kurse anbieten. Auch hier ist die Corona-Krisen-phase wieder Fluch und Segen zugleich. Einerseits warte ich 2 Monate darauf, dass endlich Segelkurse stattfinden dürfen. Andererseits habe ich Die Zeit gut genutzt um bereits Theorie online zu pauken. Mit Öffnung der Bibliotheken gab es auch Zugang zu unendlich vielen Gedruckten Materialien, sowohl zum lernen, als auch zum Träumen… es gibt ganz schön viele Weltumsegler, die über ihre Abenteuer Bücher geschrieben haben.
Die Träumerei hat mich natürlich ganz heiß darauf gemacht, das auch zu können und als es endlich soweit war, dass ich das erste mal in meinem Leben ein Schritt auf ein Segelboot getan hatte, kam die Erkenntnis, dass das gar nicht so einfach ist und es ganz schön viel zu lernen gibt. Nach immer mehr und mehr Kursen bei der Yachtschule Hannover und irgendwann das erste mal allein auf einer Jolle verstand ich plötzlich diese Sprache, merkte wie es ist, Wind und Boot in Einklang zu bringen und es zu beherrschen. Spätestens ab jetzt hat die Wind- und Segel-Droge zur Abhängigkeit geführt und trotz Freizeitstress, den das tägliche üben, um die anstehende Prüfung zu schaffen, mit sich bringt, bin ich jedes mal glücklich sobald die Vorleine los ist und der Wind die Segeljolle vorwärts schiebt. Plötzlich richtet man seinen Alltag nach dem was windy.com (wind-und Wetterapp) vorhersagt und bekommt ein Gefühl für Wind, Himmelsrichtungen und der Kraft der Natur.
Denn wenn man das erste mal eine 35km/h Windböe im Großsegel gehalten hat, bekommt man nicht nur eine Idee von Schnelligkeit, sondern auch davon welche Kraft die Natur hat. Und diese zu beherrschen und zu nutzen um sich zu bewegen, ist echt faszinierend und aufregend. Kurz bevor eine Windböe auf Boot und Segel trifft, sieht man das schon an der kräuselnden Wasseroberfläche, die sich immer schneller auf einen zu bewegt. Dann heißt es, volle Konzentration, auf alles gefasst sein und bereit die Segelstellung anzupassen und das Gewicht zu verlagern. Wenn sich das Boot von der Böe erfasst beschleunigt und die Krängung zunimmt (so nennt man das, wenn das Boot seitlich schief steht), wird schon eine Portion Adrenalin ausgeschüttet und man bekommt eine kleine süße Vorstellung davon, wie es ist auf einen Meer zu segeln. Geiles Gefühl!
Und das, gepaart damit dass dein Kopf nach einer Runde auf den See komplett abgeschaltet ist, sind die Gründe, warum man sich den Stress mit Knoten lernen, Manöver einstudieren und täglich 3h Zeit opfern, überhaupt antut. Denn sobald die Prüfung bestanden ist, kann die Träumerei auch weitergehen – ich sehe mich schon über die Havel schippern und natürlich ist das Meer das nächste verlockende Ziel (hier muss aber erst noch ein bisschen mehr gepaukt werden). Aber auch schon allein das Wissen des Segelns hat meinen Horizont erweitert und lässt mich Wind jetzt ganz anders wahrnehmen. Auch die viele Zeit die man automatisch an der frischen Luft und in der Natur verbringt, egal bei welchem Wetter, tut einfach dem der Seele und dem Gemüt gut.
Und auch hier muss ich wieder betonen: wie man sieht, kann man alles machen, was einen fasziniert. Man muss es nur wollen, die Prioritäten entsprechend setzen und schon steht einem nichts im Wege. Dinge auszuprobieren und, wenn sie einen Glücklich machen, weiter machen. So einfach ist das. Macht einfach mehr von dem was ihr liebt und werdet nie müde neue Dinge auszuprobieren. Ich hatte mir irgendwann mal vorgenommen jedes Jahr eine neue Sportart auszuprobieren. Nun ja, meistens waren es sogar mehr-und es war immer etwas dabei was mich so gefesselt hat, dass ich mehr davon wollte.
Dass Segeln auch noch so herrlich in meinen neuen Ökologischen Lebenswandel passt ist ein weiterer Grund, warum mich dieser Sport fasziniert: immer häufiger (zum Glück) kommen Diskussionen über Nachhaltigkeit beim Reisen auf. Und das ist auch gut so. Und neben dem bösen fliegen (wie ernst das gemeint ist, könnt ihr hier lesen: https://einfachreisen.com/?p=1299), dem noch schlimmeren Kreuzfahren und dem schädlichen Autofahren, ist segeln ein Fortbewegungsmittel mit 100% erneuerbarer Energie – und das ohne Nebeneffekte. Denn die Windenergie wird auf direktem Wege in Bewegungsenergie umgesetzt. Da es auch noch viele Bewegungsmöglichkeiten mit diesem Verkehrsmittel im eigenen Land gibt, ist es doch das optimale Reisegefährt in Zeiten von Reisewarnungen, Grenzbeschränkungen und Bewegungseinschränkungen.
In diesem Sinne: Es kommt nicht darauf an, woher der Wind weht, sondern wie man die Segel setzt!