1 Jahr Flugfrei

Was andere für selbstverständlich halten, gehörte bei mir sehr lange nicht zum Leben.
Das was ich im Jahr 2019 an CO2 durch Flüge verursacht habe, entspricht wahrscheinlich dem durchschnitt einer Familie in 5 Jahren. Angefangen mit 2 Inlandsflügen in Peru (wo ich schon 4 Wochen unterwegs war) über den Langstreckenrückflug Peru via Amsterdam nach Hannover, weiter im Mai nach Malaysia, 2 Inlandsflüge und den langstreckenflug zurück. Dann nochmal eben 24h beruflich nach Wien (hier habe ich immerhin eine Strecke per Zug gemacht). Und zu guter letzt ein langes Wochenende auf Mallorca mit anschließendem Urlaub auf Mauritius. Der Rückflug von dort nach Frankfurt am 5.10.2019 Wird der letzte innerhalb des nächsten Jahres sein. Das weiß ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.

Doch heute, am 1.11.2020 sitze ich das nächste mal in einem Flugzeug. Und schaue auf ein besonderes Jahr zurück. Hat mir das fliegen wirklich gefehlt? Ein klares Nein. Bei all den Einschränkungen, die das Jahr 2020 mit sich gebracht haben, war dies die einfachste Einschränkung. Ich habe sowohl Hannovers Region besser kennengelernt, aber auch eine tolle Zeit bei Wanderungen, vorallem über die Alpen, verbracht – ich war in Österreich und Italien, ganz ohne Flug. Das ich den Rückweg von Wien nach Hannover das Flugzeug gemieden habe, war tatsächlich eine bewusste Entscheidung für die Umwelt und für die persönliche challenge „1 Jahr Flugfrei“ – denn nachdem ich schon so viele Monate ohne ausgekommen war, wollte ich den Zeitraum von einem kompletten Jahr auch noch voll machen. Eine gute Entscheidung, mit wichtigen Erkenntnissen. Nämlich, das man Dinge mehr wertschätzt, wenn man sie nicht ständig macht, dass man viel erleben kann ohne zu fliegen und dass fliegen teurer werden muss, damit es sich lohnt und nachhaltiger wird.
Um diese Erkenntnisse zu haben muss ich natürlich auch den Entzug brechen und mich in ein Flugzeug begeben.

Nach 393 Tagen sitze ich nun in der TUIfly auf dem Weg nach Faro – mitten während des gerade verhängen Lockdowns in Deutschland- welch kluge Entscheidung einfach das Land in ein nicht-Risokogebiet zu verlassen, wenn man schon nicht inlands-touristisch reisen darf.
Der Flieger ist traurig (rein auf den fehlenden Tourismus bezogen) leer über 100 freie Plätze – Abstand halten also hier kein Problem. Wir haben jeweils eine eigene Reihe. Und dann rollen wir in Hannover los.
Freudig klatschend sitze ich im Flieger, als dieser auf der Startbahn beschleunigt. Der Moment nach dem abheben, wenn die Schwerelosigkeit einsetzt und es im Bauch kribbelt ist genial. Das nächste Highlight folgt: der Durchbruch durch die Wolkendecke. Man fliegt durch etwas, das wie Watte am Himmel klebt und kommt in eine andere Welt. Die Welt über den Wolken, die man nur aus einem Flugzeug so bestaunen kann. Der Anblick ist immer wieder atemberaubend und ich kann mich daran nicht sattsehen.
Reinhard May hat es so schön beschrieben und besungen wie kaum einer: “ Über den Wolken.. muss die Freiheit wohl grenzenlos sein, alle Ängste, alle sorgen sagt man, blieben darunter verborgen und dann, würde was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein. „
Ich finde das hat immer wieder etwas besonderes.

…nur von fern dröhnt monoton, dass summen der Motoren…

Was für eine wunderschöne Welt wir doch haben (die ich gerade verpeste). Welch Errungenschaft das Fliegen in einem Flugzeug doch ist und welch Privileg es ist, dass es uns möglich ist dies zu nutzen. Ein Privileg, dass nur etwa 10% der Menschheit genießt. Ja, wir, erste Welt Menschen sehen dies immer als selbstverständlich an, aber wir sind nur ein kleiner Teil der Weltbevölkerung, denen es finanziell möglich ist durch Die Welt zu jetten. Die meisten Menschen auf der Welt verlassen ihr Heimatland während ihres gesamten Lebens nicht.
Wenn man sich das einmal bewusst macht, bekommt so ein Flug nochmal eine ganz andere Bedeutung. Und ja, wenn man keine 10 Flüge im Jahr macht, ist das fliegen auch nicht mehr so selbstverständlich und man würdigt es viel mehr.
Also: Lasst Dinge nicht selbstverständlich werden. Wenn man sie seltener macht, bekommen sie erst den Wert des besonderen und du wirst es viel mehr schätzen.

Meine Erkenntnis nach einem Jahr Flugentzug: ich werde versuchen weniger zu fliegen. Ich hatte nachdem ökologisch riesigen Fußabdruck in 2019 mir für 2020 auch schon vorgenommen nur 2 Flugreisen, ohne Langstrecke, zu unternehmen. Ich denke dass kann ein guter Ansatz sein. Eine Fernreise pro Jahr, dann mit mehr Zeit vor Ort und dafür zusätzlich eine Reise, die über Land erreichbar ist, denn oftmals sind bei Überland-reisen die Wege viel mehr das Ziel und zumindest spannender als nur darüber hinweg zu fliegen.
Ein bisschen hat zu dieser Inspiration auch ein Buch beigetragen, was ich ironischerweise, gerade jetzt auf diesem Flug lese. „Das nächste mal bleib ich daheim“ wird von einer deutschen erzählt, die ein nicht unähnliches Reiseverhalten an den Tag legt, wie ich. Und sie hinterfragt sich selbst, während sie in Südamerika ist (auch ich hatte in Peru meine ersten Reise-erkenntnisse) und regt mit ihren Fragen zum Nachdenken und zu offener Diskussion an. Ohne das Ende des Buches zu kennen: sehr empfehlenswert.

Natürlich wünsche ich, dass vorallem nach dem Jahr 2020 viele Menschen die Reiselust packt und der Tourismus wieder in Schwung kommt, aber ich würde mir auch wünschen, dass wir alle bewusster entscheiden, wann und wie oft ein Flug wirklich nötig ist. Die Lösung dafür sehe ich darin, dass fliegen wieder mehr Kosten muss, damit es mehr wert ist und umweltschonendere Alternativen attraktiver werden.

Reist Leute! – lang, viel und intensiv – und mit bedacht und fliegt, Leute! – weit, hoch, mit Genuss – und mit bedacht.

Reist und nehmt dass beste mit- die Erfahrung und Erlebnisse einer neuen Welt – aber macht euch bewusst, was euer Konsum und Verhalten für Auswirkungen hat. Wir wollen dass der Tourismus noch lange lebt und ein positiver Beitrag in der Welt ist, nicht einer, der sie zerstört.
Puh. Ganz schön hohe Worte für die Dame, mit den 3 Fernreisen im Jahr. Aber jeder kleiner Schritt zählt. In Hoffnungsvoller Vorfreude auf einen baldigen, wiederbelebten, gesunden Tourismus.

Die Einfachheit des Segelns

Segel setzen, Leinen los und los geht’s. Diese Einfachheit des voran kommens mit einem Stück Stoff und Wind hat mich schon immer fasziniert. Auf die Idee, dass man diese Kunst einfach erlernen kann, bin ich erst dieses Jahr gekommen. Einfach mal segeln lernen. Ich habe nicht den Luxus am Meer zu leben, aber ich habe das Glück in einer Stadt zu leben, die einen segelfähigen See im Zentrum hat und Yachtschulen, die Kurse anbieten. Auch hier ist die Corona-Krisen-phase wieder Fluch und Segen zugleich. Einerseits warte ich 2 Monate darauf, dass endlich Segelkurse stattfinden dürfen. Andererseits habe ich Die Zeit gut genutzt um bereits Theorie online zu pauken. Mit Öffnung der Bibliotheken gab es auch Zugang zu unendlich vielen Gedruckten Materialien, sowohl zum lernen, als auch zum Träumen… es gibt ganz schön viele Weltumsegler, die über ihre Abenteuer Bücher geschrieben haben.

Die Träumerei hat mich natürlich ganz heiß darauf gemacht, das auch zu können und als es endlich soweit war, dass ich das erste mal in meinem Leben ein Schritt auf ein Segelboot getan hatte, kam die Erkenntnis, dass das gar nicht so einfach ist und es ganz schön viel zu lernen gibt. Nach immer mehr und mehr Kursen bei der Yachtschule Hannover und irgendwann das erste mal allein auf einer Jolle verstand ich plötzlich diese Sprache, merkte wie es ist, Wind und Boot in Einklang zu bringen und es zu beherrschen. Spätestens ab jetzt hat die Wind- und Segel-Droge zur Abhängigkeit geführt und trotz Freizeitstress, den das tägliche üben, um die anstehende Prüfung zu schaffen, mit sich bringt, bin ich jedes mal glücklich sobald die Vorleine los ist und der Wind die Segeljolle vorwärts schiebt. Plötzlich richtet man seinen Alltag nach dem was windy.com (wind-und Wetterapp) vorhersagt und bekommt ein Gefühl für Wind, Himmelsrichtungen und der Kraft der Natur.

Bei wenig Wind ist voller Körpereinsatz gefragt um das Boot vorwärts zu bewegen

Denn wenn man das erste mal eine 35km/h Windböe im Großsegel gehalten hat, bekommt man nicht nur eine Idee von Schnelligkeit, sondern auch davon welche Kraft die Natur hat. Und diese zu beherrschen und zu nutzen um sich zu bewegen, ist echt faszinierend und aufregend. Kurz bevor eine Windböe auf Boot und Segel trifft, sieht man das schon an der kräuselnden Wasseroberfläche, die sich immer schneller auf einen zu bewegt. Dann heißt es, volle Konzentration, auf alles gefasst sein und bereit die Segelstellung anzupassen und das Gewicht zu verlagern. Wenn sich das Boot von der Böe erfasst beschleunigt und die Krängung zunimmt (so nennt man das, wenn das Boot seitlich schief steht), wird schon eine Portion Adrenalin ausgeschüttet und man bekommt eine kleine süße Vorstellung davon, wie es ist auf einen Meer zu segeln. Geiles Gefühl!

Still ruht der Maschsee… NACH dem Segeln ist es okay, eine Spiegelglatte Wasseroberfläche zu sehen.

Und das, gepaart damit dass dein Kopf nach einer Runde auf den See komplett abgeschaltet ist, sind die Gründe, warum man sich den Stress mit Knoten lernen, Manöver einstudieren und täglich 3h Zeit opfern, überhaupt antut. Denn sobald die Prüfung bestanden ist, kann die Träumerei auch weitergehen – ich sehe mich schon über die Havel schippern und natürlich ist das Meer das nächste verlockende Ziel (hier muss aber erst noch ein bisschen mehr gepaukt werden). Aber auch schon allein das Wissen des Segelns hat meinen Horizont erweitert und lässt mich Wind jetzt ganz anders wahrnehmen. Auch die viele Zeit die man automatisch an der frischen Luft und in der Natur verbringt, egal bei welchem Wetter, tut einfach dem der Seele und dem Gemüt gut.

Und auch hier muss ich wieder betonen: wie man sieht, kann man alles machen, was einen fasziniert. Man muss es nur wollen, die Prioritäten entsprechend setzen und schon steht einem nichts im Wege. Dinge auszuprobieren und, wenn sie einen Glücklich machen, weiter machen. So einfach ist das. Macht einfach mehr von dem was ihr liebt und werdet nie müde neue Dinge auszuprobieren. Ich hatte mir irgendwann mal vorgenommen jedes Jahr eine neue Sportart auszuprobieren. Nun ja, meistens waren es sogar mehr-und es war immer etwas dabei was mich so gefesselt hat, dass ich mehr davon wollte.

Dass Segeln auch noch so herrlich in meinen neuen Ökologischen Lebenswandel passt ist ein weiterer Grund, warum mich dieser Sport fasziniert: immer häufiger (zum Glück) kommen Diskussionen über Nachhaltigkeit beim Reisen auf. Und das ist auch gut so. Und neben dem bösen fliegen (wie ernst das gemeint ist, könnt ihr hier lesen: https://einfachreisen.com/?p=1299), dem noch schlimmeren Kreuzfahren und dem schädlichen Autofahren, ist segeln ein Fortbewegungsmittel mit 100% erneuerbarer Energie – und das ohne Nebeneffekte. Denn die Windenergie wird auf direktem Wege in Bewegungsenergie umgesetzt. Da es auch noch viele Bewegungsmöglichkeiten mit diesem Verkehrsmittel im eigenen Land gibt, ist es doch das optimale Reisegefährt in Zeiten von Reisewarnungen, Grenzbeschränkungen und Bewegungseinschränkungen.

In diesem Sinne: Es kommt nicht darauf an, woher der Wind weht, sondern wie man die Segel setzt!

Der Strand ist das Leben und wir sind das Meer

Der Sand am Ufer ist so unterschiedlich und facettenreich wie Phasen im Leben und wir sind wie das Meer, dass sich immer wieder seinen Weg hindurch windet. Mal gleiten die Wellen sanft über den glatten Meeresboden, mal klatschen wir stürmisch, schäumend und donnernd laut auf dem Sand auf. Um sich weiterzubewegen muss sich das Wasser manchmal einen Weg um Steine und Muscheln die im Weg liegen bahnen. Und auch dieser Weg ist immer anders. Mal plätschert das Wasser auf dem Weg zurück ins Meer so dahin, mal hinterlässt es tiefe Rillen im Watt, die bei der nächsten Flut wieder überspült werden.

Mal muss sich das Wasser unüberwindbaren Sanddünen stellen und sucht sich andere Wege oder kämpft sich mit der nächsten Welle und genug Schwung darüber. Mal fließt es schnell und ignorant über den Meeresboden und dann ist es wieder ganz sanft, ruhig und ausweichend. Aber eins sind Strand und Meer am Ufer immer: wunderschön und faszinierend Abwechslungsreich. so wie wir und wie das Leben an sich, ist das Wasser und der Sand an jeder Stelle besonders und einzigartig.
Keine Stelle eines Ufers sieht gleich aus, auch wenn der Strand immer aus Sand besteht und die Wellen immer aus Wasser. Das Wasser bahnt sich immer seinen Weg, irgendwie fließt es immer weiter, auf und ab. So wie der Strand sich immer verändert, verändert auch das Wasser den Strand. Eine Sturm auf dem Meer kann das Leben auf dem Sand komplett verändern. Sturmfluten haben schon häufig ein ganzes Ufer verändert und manchmal tolle Dinge geschaffen. Das Meer hat also immer die Möglichkeit das Leben so zu verändern, wie es ihm gerade passt.

Manchmal hinterlassen Andere Menschen Fußspuren im Sand, dann haben die Wellen die Möglichkeit sie zu umspülen und ihren Weg mit ihnen zu verändern, oder sie sind stark und stürmig und die Brandung lässt sie direkt wieder verschwinden und der Sand sieht wieder aus wie vorher, oder auch nicht, weil er sich durch jeden Abruck auch ein bisschen verändert.

Lauf doch einmal an einem Strand entlang und finde dich wieder in diesem Spiel aus Wellen und Sand, Menschsein und Leben.